Tanzen Sie?
Oder haben Sie mal getanzt? Kennen Sie dieses Gefühl, sich einfach zum Takt herum schwingen zu lassen?
Ich muss gestehen, ich habe noch so richtig „alte Schule“ gelernt. Sie wissen schon, keine spontane Drehung, kein Hopsen, kein Rückschritt, nicht mal ein kleiner Step durfte falsch sein. Aber es hat trotzdem Spass gemacht. Wenn die Füsse erst mal wissen, wo sie hin müssen und die Beine sich automatisch bewegen ist es ein herrliches Gefühl. Es genügt ein kleiner Anstupser, und man weiss, jetzt kommt die Drehung. Der Partner schwingt einen einfach rum. Der Takt bestimmt alles. Nur beim Tanzen scheint der Körper ganz allein zu fühlen was er tun muss. Man dreht sich und schwebt über das Parkett ohne nachzudenken. Es ist so selbstverständlich wie atmen, eine Bewegung im Rhythmus mit der Musik und mit sich selbst,
Ich gebe es zu, in Kellern oder heimlichen Jugendclubtreffen ging es ganz anders zu. Dort zählte nur, was man alles aus den Grundschritten heraus zaubern konnte. Das war die wahre Schule. Wenn Sie damals als Jugendlicher einfach spontan getanzt und sich nicht an die Regeln gehalten haben, waren Sie fast schon ein Rebell. Nur fast, ja, aber ich glaube so manch Tanzlehrer hätte damals gern eine Revolte gegen so Unbelehrbare wie uns gestartet. 😉
Heute ist das zum Glück anders. Tanzparty heisst das Zauberwort. Ja, ok, Sie kennen es vielleicht schon, aber waren Sie mal? Hatten Sie den Mut?
Wenn ja, wäre Ihnen dann aufgefallen, das keiner der Tänzer in den Zwanzigern ist? Nun ja, ich bin ehrlich, in meinem Alter sind ein wackelnder Hintern und „die Beine breit“ auch nicht mehr wirklich das, was ich sehen möchte. 😉 Von der oft an den falschen Stellen zu knappen Kleidung mal ganz abgesehen. Aber ich schweife ab.
Tanzparty also. Das erste mal seit langem. Was um alles in der Welt mache ich hier? Auf den ersten Blick bin ich nur sprachlos. Es ist Montag und die Tanzfläche ist voll. Dabei ging es doch erst von 10 Minuten los? Da wird getanzt, gedreht und Figuren werden gezeigt, herrje, das hatte ich nicht erwartet. Mit einem zweiten Blick stelle ich fest, das es nicht nur Profis sind. Gut, das Paar dahinten, beide in akkurater Körperhaltung, ja, das sind wirklich Profis. Früher hätten wir gesagt, das sieht aus, als hätten sie einen Besen gefressen, aber heute weiss ich es längst besser. Diese Perfektion, diese Symetrie, dieser Gleichklang der Körper, es sieht so stimmig aus. Da kann man nur begeistert sein. Sie gleiten einfach durch den Raum, als gäbe es nichts um sie drum herum, sie umschiffen gekonnt die anderen Paare, und ich kann nicht aufhören hin zu schauen. Oh mein Gott, das könnte fast als starren durchgehen. Schnell weiter.
Und dann da vorn, dieser Tänzer hat vielleicht einen Hüftschwung: O LA LA!! Zum schwach werden. Und was ist denn das da? Ein Rock schwingt an mir vorbei. Sie wird von ihm fest an der Hüfte gehalten, bevor er sie um sich selbst dreht. Das sieht so toll aus. Ich schaue mir die Schrittfolge genauer an. Halt Stop! Das kenn ich. Das konnte ich doch auch mal. Und da, noch Paar, ups, sie ist aus dem Takt geraten. Aber ihm macht das nichts, Ausgangsstellung und von vorne. Es interessiert auch niemanden, dass das gerade passiert ist.
Ich fühle mich immer noch fremd, aber die Musik passt. Und so bleibe ich und schaue. Dabei erinnere ich mich an meinen ersten Walzer. Nein, nicht getanzt, das erste Mal als ich bewusst einen Walzer hörte. Vielleicht ging es ihnen ja mal ähnlich. Erinnern Sie sich daran?
Es war ein Klassenausflug. Mit anderen Gleichaltrigen aus anderen Schulen sassen wir in Aula und warteten darauf, das der Vortrag begann. Dann wurde es etwas dunkler, und die Musik ertönte. Eins- zwei- Drei, eins- zwei- drei. Wiegen- wiegen- Drehung. Zwischen den Stuhlreihen und der Bühne auf dem das Podest stand war etwas Platz. Man konnte sie fast sehen, die sich im Kreis drehende Paare. Sie im Kleid mit Spitze und Rüschen tanzt mit ihm im Smoking und mit Fliege. Ich habe sie gesehen, wie sie sich im Takt hin und her wiegten und sich dann Runde um Runde drehend durch den Raum bewegten. Sie schwebten fast und ich mit ihnen.
Jetzt hier zu sitzen und hier zu zuschauen ist fast genau so. Ich möchte so gern mit machen. Auch wenn ich weiss, das sich meine Füsse erst mal wieder erinnern müssen. Aber ich habe Glück. Ich werde aufgefordert. Einfach so. Nein, im wahren Leben passieren keine Wunder. 😉 Hatten Sie wirklich erwartet, dass es auf Anhieb geklappt? Nein, ich auch nicht 😉 Und hat es natürlich auch nicht. Tanzen ist nicht wie Radfahren. Ich würde es eher mit Mottorad fahren vergleichen. Wann immer man eine Pause hatte, muss man sich einfahren. Und je höher dann die Routine ist, desto mehr kann man. Desto besser klappen beimTanzen die Drehungen und Figuren wieder.
So war es bei mir auch. Am Ende des abends lief es viel besser. Trotz meiner Patzer und Aussetzer hatte ich Spass. Ichhabe sogar einige Drehungen geschafft. Und darum ich bin wieder hin gegangen. Jetzt gehe ich, wann immer es mir möglich ist. Jedes mal lernt man wieder dazu, und mit etwas Glück auch jemand Neues kennen. Gerade erst durfte ich sogar mit einem Profi tanzen. Einfach so. Er hat 40 Jahre Tanzerfahrung. Und einfach so hat er ein paar seiner Tips weiter gegeben. Das Beste daran aber ist: Ich hatte gefragt, ob er mit mir tanzt. Mir hatte es gefallen, was ich vorher gesehen hatte.
Diese Tanzparty war ein Glücksfund. Unerwartet und herrlich erfrischend gibt es nun diesen Ort, den ich nun nicht wieder her geben werde.
Wann hatten Sie das letzte Mal den Mut, etwas fast vergangenes wieder aufleben zu lassen? Nur zu!